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AutorenbildAnn-Carolin Helmreich

Toxische Grenzsetzung im Streit

Es ist gut, Grenzen zu setzen. Vor allem, wenn andere Menschen mir sagen, was ich zu sein habe. Oder denken soll.

Oder was "man machen muss".



Aber es gibt auch eine Form der Grenzsetzung, die ich toxisch finde. In letzter Zeit beobachte ich die immer häufiger.


Es ist die "Es gibt nur meine Meinung, wenn du nicht so denkst, wie ich, dann geh doch" Grenzsetzung.


Wo die auftaucht?

Überall, wo persönliche Ansichten und Gefühle verletzt werden können. Aktuell finde ich sie stark in der Impfdebatte vertreten. Beobachte mal, wie sich Menschen, die sich eigentlich echt gerne haben, plötzlich wegen ihrer Meinung zerfleischen, trennen, überwerfen. Seit Corona haben sich die Meinungen in Lager geteilt und verhärten da.

Stahlhart und kompromisslos.

Ein tiefer Graben, dort, wo wir uns eigentlich die Hand reichen sollten. Also zumindest im übertragenen Sinn ;-)


Wo es mir noch auffällt ist bei Influencer*innen. "Wenn euch nicht passt, was ich denke oder tue, dann folgt mir doch einfach nicht mehr" "Ihr müsst euch meinen Content nicht reinziehen, wenn ihr nicht meiner Meinung seid" Ganz schön krass irgendwie, sich Andersdenkenden so zu verschließen.

Aber mal kurz Stopp - kommen wir denn so weiter? Als Gesellschaft?


Wir werden immer pluralistischer.

Bunter.

Meinungsvielfältiger.

Eigentlich. Aber unter diesem schönen Meinungs-Multikulti ist auch genug Raum für jede Art von

Filterblase, in der man sich wohlfühlt. Die wenigsten Menschen konfrontieren sich gerne außerhalb der eigenen Blase. Denk mal kurz drüber nach:

Wie divers ist dein Freund*innenkreis? Bist du befreundet mit Menschen die mind. 15 Jahre älter und jünger sind als du? Bist du befreundet mit Menschen, die einen Migrationshintergrund haben? Bist du befreundet mit Menschen, die einen anderen Bildungshintergrund haben? Bist du befreundet mit Menschen, die etwas ganz anderes wählen als du? Bist du befreundet mit Menschen, die eine andere sexuelle Präferenz haben als du? Bist du befreundet mit Menschen, die eine körperliche Behinderung haben?

Bist du befreundet mit Menschen, die eine andere Hautfarbe haben als du? Bist du befreundet mit Menschen, die radikal andere Lebensentwürfe als du haben?


Je diverser die Menschen, die dich umgeben, desto häufiger wirst du herausgefordert, aus deiner

eigenen Blase auszusteigen.

Doch die meisten suchen sich eher Menschen, die ihnen ähnlich sind.

Nicht mehr mit Andersdenkenden auseinandersetzen müssen. Hauptsache ich bin unter denen, die mich bejahen.

Und wenn man auf eine Meinung stößt, die das eigene Weltbild bedroht - dann setzt man eine toxische Grenze. "Ist mir zu blöd, mit jemandem der so denkt, weiter zu sprechen" "Du musst ja wissen, was du machst, ich hab kein Verständnis für deine Sichtweise" "...."


Mein Weltbild gegen dein Weltbild


In Spiral Dynamic, einem wissenschaftlichen Konzept über die Entwicklung unseres Bewusstseins (individuell und kollektiv) finden wir eine Antwort. Es geht davon aus, dass erst weiterentwickelte Systeme und Individuen es aushalten können, mehrere Meinungen und Widersprüche nebeneinander zu ertragen. (Ambiguitätstoleranz)


Die meisten Menschen und Systeme sind aber ihr Leben lang damit beschäftigt, ihr eigenes Weltbild, ihre Blase, ihre Meinung zu verteidigen. Und andere abzuwerten.

Puhh, ganz schön anstrengend.


Die Lösung dafür lautet: Integrales Denken.

Integral ist eine Bewusstseinsstufe, auf die aktuell immer mehr Menschen zusteuern. Sie ist erstmals in der Lage, andere, vorherige Bewusstseinsstufen zu integrieren (deshalb integral) und sich in die jeweiligen Stufen reinzudenken und diese nachzuvollziehen. Frieden zu machen mit der Meinungsvielfalt. Sie zu begrüßen.


Spiral Dynamics
Die Entwicklung von Bewusstsein (von unten nach oben) nach Spiral Dynamics

Die gelbe Stufe auf diesem Schaubild ist die, auf der der menschliche Geist erstmals in der Lage ist, die vorherigen Stufen (grün - beige) zu erkennen, in sich zu integrieren und nicht zu verurteilen. Stell dir vor, jede Stufe ist eine Sonnenbrille mit eingefärbtem Glas. Mit der laufen die Menschen durch die Welt und sprechen über die gleiche Sache, sehen sie aber anders. Aufgrund der Brille und der Einfärbung. Bei Erreichen der gelben Stufe bekommt man alle Brillengläser als Set dazu. Nun kann man beliebig die Gläser wechseln und lernen Unsere Gesellschaft in Deutschland ist mehrheitlich auf blau, orange und grün. Und diese drei Stufen kämpfen gegeneinander. Seid Covid kann man das beispielsweise gut erkennen im Streit zwischen Wissenschaft (orange) und Impfgegner*innen (oftmals grün). Diese beiden Bewusstseinsebenen kämpfen auf ewig den Kampf, wer nun recht hat. Und die gelbe Bewusstseinsstufe sagt einfach:

Von eurem Standpunkt aus habt ihr beide recht. (Beobachte dich mal, ob dich das triggert)


Integral denken lernen


Vielleicht ist dir schon aufgefallen, dass ich das Wort integral hier und da benutze. Das liegt daran, dass ich eine Ausbildung zum Integralen Life Coach gemacht habe ;-) Ich beschäftige mich seit zwei Jahren mit der integralen Denkschule, die ich als Weiterentwicklung des systemischen Denkens betrachte. Also baue ich natürlich in mein Coaching immer wieder integrale Denkansätze ein. Ganz locker und leicht, nicht theoretisch und schwer. So kann ich nach und nach in einem Coaching-Prozess mein Gegenüber mit dieser Denkschule vertraut machen. Meine Coachees berichten immer wieder, dass sich ihre Art über sich und die Welt zu denken, verändert habe seit sie mit mir zusammenarbeiten. Diesen Muskel des integralen Denkens können wir gemeinsam stärken.

Ken Wilber
Ken Wilber ist der Begründer der integralen Theorie

Denn integral denken zu lernen, gibt dir die Möglichkeit, die Welt ganz anders zu betrachten. Nicht nur durch einen Filter, sondern durch ganz viele.

Multiperspektivisches Denken ist key ist der Welt, die gerade immer komplexer wird. Was früher mal hilfreich war, zB ein festes Bild vom Leben zu haben, kann in Zukunft ein Bein sein, welches wir uns selbst stellen.

Um in unserer Welt zu navigieren, müssen wir bestimmte Skills lernen, die unsere Eltern und Großeltern noch nicht gebraucht haben: - Ambiguitätstoleranz (Widersprüche ertragen)

- Flexibilität im Denken und Handeln (keine geraden Lebensläufe mehr)

- Vernetztes Denken statt Silo-Denken

- Pluralistisches Verständnis statt Patriotismus

- Unsicherheit ertragen lernen statt Berechenbarkeit


Diese Dinge kann jede*r von uns lernen, es fällt uns unterschiedlich leicht/schwer.

Es gibt eine gute Nachricht: Deine Gehirn ist jederzeit fähig dazu, neue Synapsen-Bahnen zu verknüpfen.



Wenn ich in einer vielfältigen, toleranten und offenen Gesellschaft leben will, darf ich lernen

all das auch selbst zu verkörpern.










Wenn das nächste Mal also jemand mit einer sehr konträren Meinung deinen Trigger drückt - versuche mal eine neutrale - neugierige Haltung einzunehmen. Ohne Zynismus. Ohne Überheblichkeit.

Versuche herauszufinden, warum dieser Mensch so denkt. Was seine Geschichte ist. Und geh ins Mitgefühl dafür. Sei gütig. Schau, was sich verändert.



 

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