Zugegeben, einen Blogartikel über bewusstseinserweiternde Drogen zu schreiben,
das geht mir nicht so leicht von der Hand.
Es gibt immer noch viele Vorurteile und Unwissen bei diesem Thema.
Allerdings spricht so viel mehr dafür es zu tun, als dagegen.
Deshalb will ich dich ein wenig anregen, vielleicht neu (oder wieder) darüber nachzudenken.
Aber bevor's losgeht, selbstredend ein Disclaimer:
Alles in diesem Artikel beruht auf persönlichen Erfahrungen und stellt nur meine persönliche Meinung dar. Ich bin nicht befugt dazu, medizinische Ratschläge zu geben, noch möchte ich aktiv dazu aufrufen, illegale Substanzen zu konsumieren. Informiert euch bitte eigenständig über Substanzen und die Länder, in denen sie legal sind. Nehmt Substanzen nie alleine ein und beachtet die unten aufgeführten Rahmenbedingungen.
Keine Macht den Drogen
So, jetzt aber.
Ich hatte die meiste Zeit meines Lebens als Kind der 90er die "Keine Macht den Drogen" Einstellung.
Viele mediale Horrormeldungen hatten sich in mein jugendliches Bravo-Leserinnen-Gehirn festgebrannt.
Doch irgendwann habe ich begonnen zu hinterfragen.
Und auszuprobieren.
Ich würde mich als übervorsichtigen Menschen bezeichnen,
wenn es um bewusstseinserweiternde Substanzen geht, die meinen Körper eventuell unkontrollierbar machen.
Für psychedelische Drogen allerdings muss man bereit sein, die Kontrolle abzugeben. Und genau darum geht's bei mir.
Ganz oft.
Bei vielen von uns.
Doch Kontrolle ist nur eine Illusion und das, was dahinter auf uns wartet, hat mich neugierig gemacht.
Und mein Leben für immer verändert.
“Growing evidence including the present research suggests that classic psychedelics may have the potential to alleviate human suffering associated with mental illness.”
„Eine zunehmende Anzahl von Belegen einschließlich der gegenwärtigen Forschung deutet darauf hin, dass klassische Psychedelika das Potenzial haben könnten, mit psychischer Erkrankung verbundenes menschliches Leid zu lindern.“
– Hendricks et al.: 2015
Psychedelics sagt man unter anderem nach, dass:
sie therapeutische Effekte aufweisen, die sich positiv bei Trauma, Depression und unbewussten seelischen Verletzungen auswirken
eine Abkürzung für höheres Bewusstsein sind (anstatt z.B. jahrelang täglich zu meditieren)
sie unseren Seretonin-Spiegel (Glückshormon) für längere Zeit positiv beeinflussen
ein Verständnis von "wir sind alle miteinander verbunden" eintreten kann
sich Selbsthass und andere innere manipulative Innenwelten regulieren können
So, nun aber erstmal eine kleine Einordnung, damit klar wird, von welcher Sorte bewusstseinserweiternder Substanzen ich hier überhaupt spreche.
Psychedelische Drogen: Head oder Body Drugs
Head Drugs, etwa DMT, sind Drogen, die vor allem das Denken und die Wahrnehmung verändern,
während Body Drugs eher das Körpergefühl beeinflussen.
Head Drugs sind vor allem Halluzinogene, während Body Drugs eher Upper und Downer umfassen.
Eine exakte Trennung zwischen beiden Gruppen ist allerdings nicht möglich, da Körper und Geist eine Einheit bilden und entsprechend keine psychoaktive Droge nur eines von beiden beeinflusst.
Einordnung und Beispiele
Die wohl bekanntesten Substanzen sind Cannabis, Zauber-Pilze (Psylocybin) und LSD. Vielleicht hast du auch schon mal von schamanisch, rituell genutzten Substanzen wie Mescalin-Kaktus oder Ayahuasca (DMT) gehört.
Über genau diese Gruppe möchte ich heute sprechen.
Denn im Gegensatz zu bekannten Partydrogen wie MDMA, Ecstasy, Kokain, Speed und Co geht es bei den Drogen, über die ich rede nicht ums Feiern.
Viele von den Substanzen arbeiten tief mit unserer Psyche (deshalb auch der Name Psychedelika) und lassen wenig Partystimmung aufkommen.
Sie sollten also nicht alle in einen Topf geworfen werden.
Fliegenpilze, Coca Cola und ein Rausch ohne Ende
Der Mensch hat sich schon immer berauscht. Es liegt wohl in unserer Natur, uns durch Substanzen in andere Zustände zu versetzen zu wollen. Überall auf der Welt gibt es regional genutzte Substanzen, die sich global verbreiten. Zauberpilze oder Ayahuasca wurden dem globalen Norden erst vor wenigen Jahrzehnten wirklich zugänglich gemacht, existieren aber in alten Kulturen schon seit Anbeginn der Zeit.
Doch auch in unseren Wäldern wächst der Fliegenpilz, dessen Dosis das Gift macht, der aber früher "unser" Zauberpilz war und für wilde Träume sorgt. Auch er erlebt eine Renaissance. Sogar die Tierwelt greift zu Drogen, wie dieses Video sehr schön zeigt:
Doch schauen wir mal ins vergangene Jahrhundert. Bis 1903 enthielt ein Liter Coca-Cola etwa 250 Milligramm Kokain. In den Roaring Twenties befeuerten Kokain und Morphium auch das Kulturleben in Berlin. Vor allem Morphium half erstmals als Opiat, um mit Kriegsfolgen in einer prä-psychologischen Zeit klar zu kommen und Schmerzen zu stillen.
Und später kamen dann die Hippies und damit eine Hochzeit von Psychedelics. Überall Menschen, die keinen Bock auf Krieg hatten und Drogen wie Cannabis und LSD konsumieren, prägen diese Zeit. Gibt es da einen Zusammenhang? Ich bin mir da sehr sicher.
Denn psychedelische Drogen können dazu führen, dass sich während eines Trips dein Ego auflöst. Du also nur deine Essenz bist und nicht die Geschichte, die du dir über dich erzählst.
Danach kann es also gut möglich sein, dass man keinen Sinn mehr in Kriegstreiberei sieht. Und auch andere Dinge im eigenen Leben völlig neu bewertet.
Drogen, die nicht (nur) auf unseren Körper, sondern vor allem auf unsere Psyche wirken, können unser Bewusstsein erweitern. Und das nicht nur für die Dauer eines Trips, sondern weit darüber hinaus.
Dies hatte auch politische Folgen, denn die außer Kontrolle zu geratene Generation und ihre neuen
Wert-und Moralvorstellungen waren gefährlich. Gefährlich unproduktiv für Wirtschaft und die Waffenindustrie. Weitere Gesetze wurden erlassen, medial verzerrte Bilder von Risiken wurden gestreut
und immer mehr Drogen wurden illegal.
Leider erstarben dadurch auch die wissenschaftlichen Versuche mit Substanzen wie
Psylocibin, DMT und MDMA. Erste Behandlungen an Menschen mit schweren Traumata, wie Kriegsveteranen waren von durchbrechendem Erfolg. Binnen einer oder sehr weniger Sitzungen, in denen Therapeut*innen die Einnahme von Substanzen überwachen und therapieren, lösten sich schwere Leiden wie posttraumatische Belastungsstörungen. All das sollte nicht mehr stattfinden. (Hierzu empfehle ich die Doku über DMT, die ich weiter unten verlinkt habe).
Bis vor einigen Jahren eine neue Welle begann und immer mehr Menschen Psychedelica nutzen, um sich selbst tiefer zu verstehen. (In diesem Kontext empfehle ich die Reihe "Explained: Dein Kopf" auf Netflix, dort gibt es eine spannende Folge über Psychedelics).
DMT und Co: Wie sieht Bewusstseinserweiterung konkret aus?
Die bewusstseinserweiternde Wirkung durch psychedelische Drogen ist für jeden höchst individuell.
Eine Erweiterung des Bewusstseins besagt zunächst mal, dass wir "mehr" zur Verfügung haben als vorher.
Bei manchen psychedelischen Substanzen nur für die Dauer der Wirkung, bei sehr vielen aber auch weit darüber hinaus, wenn der Trip schon längst vorbei ist.
Psychedelics: Meine persönlichen Erfahrungen
Ich kann von mir sagen, dass es sich anfühlt, als wäre danach "mein Gehirn gewachsen".
Und mein Herz.
Vor allem mein Herz.
Ich war in Räumen jenseits meines Egos unterwegs.
Durch tiefgreifende schamanische Rituale, die ich erleben durfte, hat sich ein ganz großer Teil an alten Dingen, Schuld, Scham und Traurigkeit in mir lösen dürfen. Durch solche inneren Reisen lösen sich bei einigen Menschen angestaute, unbewusste Themen wie sonst nur in jahrelanger Therapie und Persönlichkeitsentwicklung.
Ich habe auch Wochen und Monate später noch plötzlich innerliche "Updates" erhalten,
also quasi plötzliche Einsichten und Verknüpfungen. Es war abgefahren.
Für meine Persönlichkeitsentwicklung und Entfaltung als Mensch möchte ich die Erfahrungen mit bewusstseinserweiternden Substanzen nicht missen. Sie gehören zu den eindrücklichsten meines bisherigen Lebens.
Schon häufiger habe ich die Diskussion geführt, wie sich unsere Menschheit entwickeln würde, wenn die Mehrheit einmal im Leben Psychedelics unter Idealbedingungen nehmen würde.
Hätte noch jemand Lust auf Krieg, erniedrigende Arbeit oder andere soziale Missstände?
Käme es zu einer Revolution der Liebe in der Gesellschaft?
Für mich steht fest, dass Head Drugs bei gesundheitlich und mental gesunden Menschen enorme Vorteile für die persönliche und kollektive Entwicklung haben können. Dafür ist es aber wichtig, einige Grundvoraussetzungen zu kennen.
No bad Trip: 4 wichtige Punkte für ein gutes Setting
SET
SETTING
CONTEXT
PEOPLE
Wenn mir Menschen privat oder beruflich von "schlechten Drogenerfahrungen" berichten (ich glaube jede Erfahrung ist auch eine Reflexion der aktuellen inneren Welt des Konsumierenden) frage ich immer nach.
1. Wo hast du die Substanzen genommen?
In einem Club oder Festival oder auf einer Wiese in der Natur? Eine fördernde Umgebung, abgestimmt auf die Substanz, ist unverzichtbar. Sie garantiert Sicherheit, kann optisch anregen oder beruhigen,
2. Welches Setting gab es?
Hast du dich auf die Erfahrung vorbereitet und zum Beispiel einem Ritual beigewohnt oder warst du ganz alleine bei dir zuhause auf der Couch und hast spontan etwas ausprobiert? Das Setting für Substanzen ist für die Energien, die dich umgeben, wichtig. Eine Person, die nichts konsumiert und begleitet ohne zu verurteilen, ein sog. Tripsitter, kann auch Sicherheit geben.
3. Welche Absicht hattest du?
Für mich fast der wichtigste Punkt. Etwas einfach nur aus Neugierde zu probieren, ist ok. Kann aber seine Wirkung viel besser entfalten, wenn du eine Absicht innerlich vorher für dich findest.
Wer beim Konsumieren von Substanzen mit zu viel Angst vorgeht, bekommt das auch gerne in einem bad Trip gespiegelt. Daher ist der Kontext etwas, was gerne übersehen wird, aber fundamental ist.
4. Wer war dabei?
Magst oder besser noch liebst du die Menschen, die diese Erfahrung mit dir teilen? Oder sind es Fremde, die in einem Ritual mit der gleichen Absicht zusammenkommen? Das ist eine ganz andere Energie, als wenn man Substanzen in einem nicht vertrauten Umfeld mit Unbekannten nimmt, die deinen Zustand nicht einschätzen können.
Wenn du also das nächste oder auch erste Mal zu Substanzen greifst, beachte diese vier Punkte.
Das gilt übrigens auch für die sogenannte "weiche" Droge Alkohol.
Die übrigens im Vergleich zu den meisten Psychedelika abhängig macht, zum Tod führen kann und unerträglich viele Familien zerstört. All das kann man von den erwähnten Substanzen nicht behaupten.
Wenn du also darüber nachdenkst, wie gefährlich das sein kann, dann tu das bitte auch wenn du "weiche" Drogen konsumierst.
LSD, DMT, Meskalin und Pilze haben kein Abhängigkeitsrisiko. Die Erfahrungen sind intensiv und der Trip kann anstrengend werden.
Wenn alle äußeren Bedingungen stimmen, kann eine solche Reise zu dir sehr befreiende Erkenntnisse bringen, deinen Seretonin-Spiegel heben (auch für längere Zeit) und dich in einen Zustand von Frieden und Liebe bringen.
Microdosing: Trend aus dem Silicon Valley
Microdosing steht für die Einnahme geringer, das Bewusstsein nur unterschwellig verändernde Dosen von Substanzen. Also kein vollständiger Trip, sondern nur so viel, dass die gewünschten Effekte positiv beeinflussen, aber nicht den Alltag behindern.
Dieser Trend wird im Silicon Valley gerne genutzt. Hier ist LSD Microdosing für mehr Kreativität und Innovation längst kein Geheimtipp mehr.
Auch Shrooms, also Zauberpilze, kann man in kleinen Dosen zu sich nehmen.
Viele berichten davon, dass sie Depressionen damit sehr gut behandeln und keine Antidepressiva mehr nehmen müssen.
Obwohl diese Bewegung noch recht neu und die richtige Dosis individuell gefunden werden muss, gibt es schon ein sehr interessantes Buch dazu, das ich euch ans Herz legen möchte.
Es untersucht die unterschiedlichen Flow-Zustände von Menschen und wagt dabei einen progressiven, spannenden Blick auf halluzigene Drogen wie LSD, Pilze und Ayahuasca. Aber das ist nur ein kleines Kapitel in diesem Buch, das Extase-Zustände von Menschen untersucht.
Die Integration - der Schlüssel zum Wachstum
Die eine Sache ist es, mit Substanzen zu experimentieren. Die andere, das Erlebte zu verarbeiten, zu erkennen und in den Alltag zu integrieren. Bei bestimmten Ritualen gibt es Integrationshelfer*innen, oft auch therapeutischer Begleitung. Wenn man die nicht hat, ist es dennoch wichtig, sich mit allem auseinanderzusetzen.
Dabei hilft das Schreiben über Erlebtes gut. Ein sogenanntes Trip-Tagebuch kann helfen, später erlebte Dinge in Zusammenhang zu bringen und besser zu verstehen. Ebenso wie der Austausch mit anderen.
Dann steht der Erweiterung des Bewusstseins nichts mehr im Wege.
Es ist nur eine Frage der Offenheit, Neugierde und inneren Absicht, ob man sich in dieses Abenteuer stürzt. Und Psychonaut*in wird. So nennen sich die, die mit Psychedelika die eigene Psyche bereisen.
Es ist eine abenteuerliche Reise. Mal fordernd und anstrengend,
mal leichtfüßig und voller Liebe. Immer aber mit Wachstum verbunden.
Vielleicht habe ich dir ein wenig Offenheit geschenkt für dieses Thema.
Wie immer gilt: Wer informiert ist, urteilt weniger.
Wer es erfährt, urteilt bestenfalls gar nicht mehr ;-)
Happy Tripping!
Ann-Carolin
Weitere Informationen, die ich zum Thema psy<chedelische Drogen empfehle:
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